Universität Innsbruck, Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung
Die Entwicklungsarbeit der phänomenologischen Vignettenforschung wurde 2009 über das vom FWF geförderte Projekt „Personale Bildungsprozesse in heterogenen Gruppen“ (P-22230-G-17) am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung an der Universität Innsbruck durch Michael Schratz, Johanna F. Schwarz und Tanja Westfall-Greiter initiiert. Vignetten wurden in dieser Entwicklungsarbeit als Instrumente etabliert, um Erfahrungsdimensionen von Bildungsphänomenen in den unterschiedlichsten Kontexten phänomenologisch orientiert und angemessen zu erfassen. Aus Erfahrungsprotokollen generiert sind sie geeignet, Bildungserfahrungen in medias res und in statu nascendi, als inmitten des sich im Feld in der Anwesenheit der Forschenden Ereignenden, zu erfassen, zu benennen und in ihrer Vielschichtigkeit auszudifferenzieren. Im darauffolgenden zweiten vom FWF geförderten Forschungsprojekt (P-225373-G-17) wurde mit phänomenologischen Anekdoten ein Instrument eingeführt, um erinnerter und erzählter Lernerfahrung zum Ausdruck zu verhelfen.
Über die Zusammenarbeit mit weiteren Forschungsgruppen im In- und Ausland gelang es, die phänomenologische Vignetten- und Anekdotenforschung im qualitativen Forschungsparadigma als innovative Methodologie zur Erforschung erfahrungsorientierter Phänomene in Bildungskontexten zu verorten und kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Die Vignetten- und Anekdotenforschung erfährt vielfältige Anwendung in der Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen, in der Schulentwicklung oder in der Praxisforschung. Die Arbeit mit Vignetten und Anekdoten ist daher im Rahmen der Ausbildung von Lehrpersonen der Sekundarstufe nicht nur am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung der Universität Innsbruck fest verankert, sondern wird bereits im Rahmen aller ausbildenden Institutionen im Verbund West eingesetzt. Sie werden hier vor allem in ihrem transformativen Potenzial genutzt, damit (angehende) Lehrpersonen lernen, in einer neuen Perspektive auf Erfahrungsdimensionen gelebter Praxis zu schauen und daraus neue Perspektiven für (zukünftiges) pädagogisches Handeln ableiten.
Im Rahmen internationaler Projekte wie EDITE (European Doctorate in Teacher Education) oder Von den Besten lernen – Lernwirksames Schulleitungshandeln in ausgezeichneten Schulen des Deutschen Schulpreises (gefördert von der Robert Bosch Stiftung), wird der Ansatz der Vignetten- und Anekdotenforschung interdisziplinär verwendet und international verbreitet. Von Oktober 2020 bis März 2021 lief zudem – gemeinsam mit der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Wien und der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien– ein Projekt zu pädagogischem Ethos in der Professionalisierung von Lehrpersonen (gefördert von der Robert Bosch Stiftung), in welchem u. a. Vignetten als Professionalisierungsinstrumente innerhalb der Lehrer*innenbildung Anwendung finden. Ziel des Projekts war die Entwicklung von Lehrmaterialien zur Einübung der Reflexion des eigenen Berufsethos angehender Lehrkräfte in unterschiedlichen Domänen der professionellen Gesamtentwicklung. Diese stehen als ELBE-Manual zum kostenfreien Download zur Verfügung.
Im Kooperationsprojekt "Teach4Reach" dienen Vignetten zur Erforschung ausgewählter UN Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und ihrem Einsatz in der Lehrer*innenbildung.