Perspektiven phänomenologisch orientierter Heil- und Sonderpädagogik an der Universität zu Köln

Seit 2020 beschäftigen sich Philipp SeitzerDr. Robert Stöhr und Dr. Theresa Stommel mit verbindenden sonder- und heilpädagogischen Fragestellungen, denen sie sich aus phänomenologischer Perspektive gemeinsam annähern. Die bislang vornehmlich theoretischen Auseinandersetzungen beziehen sich neben wissenschaftstheoretischen (Dederich & Seitzer, 2019) auf ethisch-anthropologische Fragestellungen (Seitzer, 2022) sowie die konkreteren Themenfelder Technik und Behinderung (Stöhr, 2014, 2023a, 2023b), Bildung und Bildungsprozesse im Kontext geistiger und komplexer Behinderung (Stommel, 2023a, 2023b), Inklusion bzw. inklusive Pädagogik sowie ästhetische Erfahrung im Kontext von (geistiger) Behinderung (Stommel, 2023c). Ins Zentrum rückt dabei zunehmend die Frage, wie phänomenologische Perspektiven die von evidenzbasierter Forschung dominierte (Heil- und Sonder-)Pädagogik bereichern und dazu beitragen können, die Brüche, die sich zwischen erziehungswissenschaftlicher Theorie und pädagogischer Praxis zeigen, zu überwinden. 

Eine Gemeinsamkeit des Zusammenschlusses liegt in dem Interesse, pädagogische Situationen als responsive Geschehen zu begreifen, was auch einer alternativen Methode der empirischen Erforschung derselben erfordert (Agostini et al., 2023; Schratz, Schwarz & Westfall-Greiter, 2012). Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass Unterrichtsforschung in ihrer aktuellen Ausrichtung vornehmlich darauf abzielt, pädagogische Situationen zu vermessen, um schließlich Störungen und Misserfolge ausräumen zu können. Eine an den Ansprüchen der Personengruppe von Menschen mit (geistiger) Behinderung orientierte Heil- und Sonderpädagogik verfolgt demgegenüber das Ziel, pädagogische Erfahrungen zu verdichten und zu deuten, in der Hoffnung, damit auch auf einen Anspruch auf inklusive Schulbildung und Lernprozesse antworten zu können. 

Philipp Seitzer spricht in dem Podcast Phänomenologie für Unerfahrene über erste Erfahrungen mit der Phänomenologie und bietet einen Einblick in die wissenschaftliche Strömung.

 

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Literaturangaben:

 

Agostini, E., Peterlini, H. K., Donlic, J., Kumpusch, V., Lehner, D. & Sandner, I. (Hrsg.). (2023). Die Vignette als Übung zur Wahrnehmung. Zur Professionalisierung pädagogischen Handelns. Opladen Berlin Toronto: Verlag Barbara Budrich. doi.org/10.3224/84742662

Dederich, M. & Seitzer, P. (2019). Erfahrung, Wissen, Handeln. Zum Status der Empirie in der Sonderpädagogik. In M. Dederich, S. Ellinger & D. Laubenstein (Hrsg.), Sonderpädagogik als Erfahrungs- und Praxiswissenschaft: Geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven (1. Auflage., S. 13–31). Leverkusen: Verlag Barbara Budrich.

Schratz, M., Schwarz, J. F. & Westfall-Greiter, T. (2012). Lernen als bildende Erfahrung: Vignetten in der Praxisforschung (Erfolgreich im Lehrberuf). Innsbruck: Studien Verlag.

Seitzer, P. (2022). Geistige Behinderung und Entscheidungsfähigkeit. Behindertenpädagogik, 61(1), 5–30.

Stöhr, R. (2014). Möglichkeiten von Technik für Menschen mit Behinderung. Phänomenologische Perspektiven. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 83(2), 154–156.

Stöhr, R. (2023a). Technik als Hilfsmittel, Dispositiv und als Antwort. Perspektiven auf Einsatz von Technik im Kontext Behinderung. Sonderpädagogische Förderung heute, 68(3), 248–261.

Stöhr, R. (2023b). Behinderung und Technik. Eine phänomenologische Studie (Perspektiven sonderpädagogischer Forschung). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Stommel, T. (2023a). Bildung und Staunen. Eine bildungsphilosophische Perspektive im Kontext geistiger und schwerer Behinderung. Bielefeld: transcript.

Stommel, T. (2023b). Staunen und Bildung im Lichte des Fremden. Phänomenologische Überlegungen zur Bedeutung des Staunens für Bildungsprozesse im Kontext geistiger und schwerer Behinderung. Sonderpädagogische Förderung heute, 68(3), 278–289.

Stommel, T. (2023c). ›Staunen ist wie das Salz im Bildungsprozess‹. Zum Verhältnis von Bildung, Staunen und Lebensfreude und seine Bedeutung für inklusive Bildung. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik, 99(4), 513–528. doi.org/10.30965/25890581-09703118